Der große Umweltroman aller Zeiten

 

5.0 von 5 Sternen Blickwinkel, 19. April 2012
 (Taschenbuch)

Der Schrifsteller sieht die DDR aus einem anderen Blickwinkel... Er hoffte sehr, ein Land gefunden zu haben, welches den Menschen und die Natur als einzig schützendwertes ansieht. Leider wird er da auch enttäuscht. Anrührende zwischenmenschliche Ereignisse zu Zeiten des "Kalten Krieges" machen den Roman sehr spannend.

Erol, der Held dieses Buches,  fährt nach Deutschland, um zu studieren.

In Kreuzberg befreundet er sich mit seinem alten Nachbarn, Peter, der ein Boxer war. Durch seine Hilfe stieg er in Berlin in den Boxring. Aber seine Erfolge machen ihn nicht glücklich, er entscheidet sich in die DDR zu gehen , nicht mehr "Scheiss Ausländer"zu sein, und dort  verliebt er sich dort in die Ostberlinerin Angela. Um sie nach Westberlin zu schmuggeln, macht er einen gefährlichen Versuch, obwohl sie hoch­schwanger ist. Er wird am Checkpoint Charlie angeschossen, aber ihr gelingt es in den Westen zu fliehen. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt.

Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Der Ökosozialist Erol erzählt, wie seine hoffnungslose Liebe weiter geht und was mit seinem Sohn in Westberlin geschehen ist.

Er tumt immer noch von einem System, das sich nach dem Gleichgewicht der Natur richtet und die anderen Lebe­wesen achtet.

Einige Abschnitte: Aus meinem Roman "Duell am Checkpoint Charlie"

Kapitel 171 Seiten 290-295

 

171 Das Gericht

In dem ich in dieser verdammten kalten Zelle meine Schmerzen niederschrieb, durchlebte ich meine Kind­heits­jahre erneut. Als ich mir meine Kinderhändchen an der Brust meiner Mutter aufwärmte, klapperte das Schloss der Eisentür.

Sie wurde weit geöffnet.

Stiefel quietschten.

Zahlreiche Polizisten traten ein.

Mein kaltes Zimmer wurde noch um einiges kälter. Meine Seele litt Schmerzen!

Handschellen wurden mir angelegt.

Die Gänge des Gefängnisses füllten sich mit Geräuschen.

Papierrollen wurden an Maschinen angebracht.

Schwarze Schreibmaschinen klapperten.

Fragen wurden gestellt, Aussagen protokolliert.

Sie hielten mich für ein Mitglied einer verbrecherischen Bande, die Menschen über die Grenze schmuggelt. Um Informationen über diese vermeintliche Bande zu be­kommen, scheuten sie keine Mittel, physisch und psychisch. Doch sie bekamen immer dieselbe Antwort von mir:

„Ich wollte nichts anderes tun, als meine Frau und mein Kind nach Westberlin zu bringen.“

„Weshalb haben Sie denn mit einem Maschinengewehr auf Grenzsoldaten geschossen?“

„Man hat von jenem Turm aus auf mich geschossen, aus Notwehr und um sie einzu­schüchtern, habe ich zurück geschossen.“ so lautete meine Antwort.

Ich wurde wieder in meine kalte Zelle gesperrt.

Eines Tages wurde die Eisentür erneut geöffnet und ich wurde von bewaffneten Soldaten in die vordere Sitzreihe des Gerichtssaals gebracht.

Das Gericht füllte sich, die Richter in ihren Roben stellten sich vor mich hin, meine Personalien wurden kontrolliert und mit Fragen bombardiert. Der Staatsanwalt las die Anklage vor, seiner Meinung nach war ich ein schrecklicherVerbrecher.

Mein Nacken versteifte sich ständig wegen dem zu den Richtern nach oben schauen.

Ich möchte nur vereinfacht und gekürzt wiedergeben, was mir damals in geschwollener Sprache und Fach­aus­drücken vorgeworfen wurde.

Schlussendlich sprach die Oberrichterin:

„Herr Atila, stimmt es, was in der Anklage des Herrn Staatsanwalts steht?“

Mein Gott, diese Stimme, dieses Gesicht – war es nicht das von Ursula, die noch vor einem Jahr in meinen Armen geweint hatte? Doch ich durfte es mir nicht anmerken lassen. Ich erstarrte. Oberrichterin Ursula wiederholte ihre Frage, mit ängstlicher und beinahe flehend zitternder Stimme:

„Herr Atila, antworten Sie, stimmt es, was in der Anklage des Herrn Staatsanwalts steht?“

Als ich meinen Schock überwunden hatte, antwortete ich:

„Teilweise.“

Die Oberrichterin war sichtlich erleichtert, sie hatte sich wohl gedacht, dass ich sie mit Ursula ansprechen würde. Die Anklagepunkte wurden vorgetragen.

„Herr Atila, Sie werden angeklagt, einer ver­brecherischen Bande anzugehören, die Menschen über die Grenze schmuggeln. Gestehen Sie dieses Verbrechen?“

„Nein, Euer Ehren. Ich gehöre keiner solchen Bande an und ich kenne auch niemanden der so etwas unternimmt. Ich wollte nur mein Kind und meine Frau über die Grenze bringen.“

Die Schreibmaschinen klapperten, Aussagen wurden festgehalten.

Die Oberrichterin fuhr fort

„Herr Atila, Sie werden angeklagt, eine DDR-Bürgerin und ihr Kind über die Grenze Friedrichstraße geschmuggelt zu haben. Gestehen Sie dieses schwere Verbrechen?“

„Wenn Sie gestehen, dass sie mit der Errichtung der Mauer Menschenrechte mit Füssen getreten haben, dann gestehe ich, dass ich meine Frau und mein Kind über das von Ihnen geteilte Land geschmuggelt habe.“

Die Richter und Anwälte begannen zu murmeln. Die Schreibmaschinen klapperten und klapperten. Ich hatte die sittliche Persönlichkeit der DDR verletzt und mich somit erneut schuldig gemacht. Ich hatte die Worte des Polizisten Werner nicht ernst genommen. Ich würde auch den Ratschlag von Doktor Antje, mich als Genosse aus­zugeben, nicht mehr trauen zu sagen.

Die Oberrichterin sprach wieder von oben herab:

„Herr Atila, Sie werden beschuldigt, DDR-Soldaten an der Grenze mit einem Maschinen­gewehr töten zu wollen. Gestehen Sie dieses Verbrechen?“

„Nein, Euer Ehren. Wenn ich dies beabsichtigt hätte, hätte ich dutzende Soldaten umbringen können. Fragen Sie jene Soldaten, ob ich sie töten wollte! Der Soldat im Turm hätte mich erschießen können, wenn er wollte. Doch er hat es vorgezogen, auf meine Beine zu schießen. Dafür bin ich ihm dankbar. Deshalb habe ich auch, nur um ihn einzu­schüchtern, in seine Richtung geschossen. Mein Moral­kodex erwies sich als stärker, da es in ihm keinen Platz für Mord gibt.“

„Aber dieser Soldat ist immer noch im Krankenhaus und muss medizinisch behandelt werden“ wendete die Oberrichterin ein.

„Ich möchte mich bei ihm entschuldigen, ich habe nicht beabsichtigt, ihn zu verletzen. Ich wollte ihn nur ein­schüchtern. Doch ich war unter Schock, es war ein Unfall, es tut mir wirklich leid. Genossen! Ich bin ein Student, der gegen den Kapitalismus ist. Ich habe die Untaten der Kapitalisten gesehen, bin vom Westen geflüchtet. Wenn Sie wüssten, mit welchen Hoffnungen ich in die DDR ge­kommen bin! Verflucht sei der Kapitalismus!“

Der Staatsanwalt unterbrach mich, ohne dass ihm das Wort erteilt wurde und fragte im ironischen Ton:

„Ach, Sie sagen, dass Sie ein Genosse sind und des­wegen haben Sie also eine DDR-Bürgerin in den Westen geschmuggelt?“

Sofort antwortete ich:

„Ich wollte das nicht, meine Frau hat darauf be­standen.“

„Lügen Sie uns nicht an“ grummelte der Staatsanwalt, „diese Frau ist nicht ihre Ehefrau, Sie sind nicht offiziell verheiratet.“

Die Oberrichterin unterbrach den Staatsanwalt, der unerlaubt das Wort an sich gerissen hatte. Sie schaute ihn verachtend an. Er erkannte seinen Fehler und hielt sich zurück.

Sie wendete sich an mich, und sagte:

„Herr Atila, sprechen Sie bitte weiter.“

„Sehr geehrte Frau Oberrichterin, ich bin ein links­orientierter Student, der gegen den Kapitalismus ist. Der Schrecken des Kapitalismus ließ mich hierher flüchten, wo ich mir Besseres erhoffte. Halten Sie mich bitte nicht für einen mutmaßlichen Verbrecher. Bitte beschuldigen Sie mich nicht als einen Agenten einer Bande. Ich bin ein Student, gleichzeitig ein Sportler, ein unbesiegbarer, professioneller Boxer. Lassen Sie mich DDR-Bürger werden, ich werde stolz in DDR-Trikots gegen westliche Boxer antreten, sie zu Boden werfen. Ich bin ein Sozialist wie Sie.“

Es war offensichtlich, dass Oberrichterin Ursula mir helfen wollte:

„Was meinen Sie mit; ich bin Sozialist wie Sie?“

„Ja Frau Oberrichterin, ich bin wie Sie ein Sozialist, aber ein Ökosozialist.“

Ursula hatte mir damals, als wir im Bett lagen und ich ihr lang und breit meine ökosozialistische Philosophie erklärt hatte, Recht gegeben. Sie wusste ganz genau wovon ich sprach, doch sie wollte, dass die Jury auch beeindruckt wird. Deshalb fragte sie:

„Was ist denn das, Ökosozialismus?“

Ich war ihr so dankbar, dass sie mir diese Möglichkeit gegeben hatte.

„Vielen Dank, Euer Ehren, dass Sie mir erlauben, meine Ansichten darzulegen. Der Ökosozialismus ist eine neue Form des Sozialismus, der sein Grundgesetz auf Ökologie aufbaut, sich an einer natürlichen Lebensweise orientiert, die jedem Lebewesen Rechte zugesteht, für die Menschen Glaubensfreiheit, Denkfreiheit, Kunst- und Schaffens­freiheit akzeptiert und den Kleinbauern und Handwerker freie Wirtschaft erlaubt . Es ist die einzige Philosophie, die unsere Umwelt retten kann. Wenn die DDR dieses System annimmt, kann Sie zu einem Vorbild und zu einer Weltmacht werden. Sehr geehrte Genossen, protegiert mich. Ihr habt den Dichter Nazim Hikmet nicht angehört, so hört wenigstens mich an.“

Was musste ich da sehen! Die Jury vom Strafsenat und der Staatsanwalt waren total unbeeindruckt von dem, was ich gerade gesagt hatte und lächelten nur so vor sich hin. Meine Rede war umsonst. Sie begannen zu flüstern und warteten darauf, dass jemand in den Saal gebracht wurde.

Es war der nette Offizier von der Grenze, der meinen Wagen kontrolliert hatte. Er wurde ohne Handschellen eingelassen. Der Mann war in einem bemitleidenswerten Zustand. Er wurde angeklagt, beim Schmuggeln Beihilfe geleistet zu haben. Mir war klar, dass wir nun konfrontiert werden würden.

Die Oberrichterin fragte mich:

„Herr Atila, kennen Sie diesen Offizier?“

„Ja, Euer Ehren, es ist der Offizier, der mein Auto kontrolliert hat.“

„Kennen Sie ihn persönlich?“

„Nein, Euer Ehren. Ich kenne nicht einmal seinen Namen.“

„Können Sie mir erklären, wie dieser Offizier Ihr Auto untersucht hat?“

„Sorgfältig, wie alle anderen auch.“

„Wie kommt es dann, dass er nicht gemerkt hat, dass jemand im Wagen versteckt war?“

„Wer auch immer das Auto kontrolliert hätte, niemand hätte es gemerkt. Ich habe das Versteck speziell anfertigen lassen. Diese Herren trifft keine Schuld. Ich bin der Schuldige.“

Der verzweifelte Polizist atmete erleichtert aus und dankte mir mit seinen warmherzigen Blicken.

Das Gericht verschob die Sitzung, damit auch die Informationen von der Stasi mit einbezogen werden konnten.

Die mit Automatik-Gewehren bewaffneten Polizisten führten mich aus dem Saal, da fiel mir ein, was ich vergessen hatte zu sagen. Ich schrie so laut, dass es im Saal erschallte:

„Hoch lebe der Ökosozialismus!“

Ursula war sehr betrübt, doch die anderen lachten hinter mir her. Ich fühlte mich wie ein Wurm der sich äußern will. Sie hatten gute Laune, die heutige Gerichtssitzung war für sie eine Abwechslung gewesen.

Ich wurde in einen ratternden Wagen gesetzt, der mich zu meiner Zelle zurückbrachte.

Wochen später wurde ich wieder den Richtern vorge­führt, ich sagte dieselben Dinge aus.

 

Einige Abschnitte aus meinem Roman  "Duell am Checkpoint Charlie" :

Kapitel 163 Seite 263-266

163 Der kleine Ankömmling

 

An einem Wochenende ging ich wieder mit Angela ins Kino „International“. In der Abend­dämmerung fielen ganz leise die Schneeflocken zu Boden. Die Straßenlampen erleuchteten ihre weiße Schönheit, als sie an ihnen vorbei flatterten.

Als wir aus dem Kino raus kamen, wartete auf uns eine Überraschung. Während wir den Film guckten, bedeckten draußen die Schneeflocken den Boden und machten aus Berlin ein Märchenland. Der Parkplatz, auf dem ich meinen Wagen geparkt hatte, lag fern vom Kino. Die Melodie des Filmes hörte ich immer noch in meinem Kopf. während der Schnee unter unseren Füssen quietschte. La la li li! Es war ein schöner Sowjetfilm aus Kirgisien. Diesmal war das Thema des Films nicht politisch, sondern rein menschlich. Man stellte die Bezie­hungen zwischen einem Großvater und seinem Enkelsohn dar. Der Großvater brachte dem Kleinen das Baumpflanzen und Tomatenzüchten bei. Eines Tages starb der alte Mann. Mit viel Liebe pflanzte der Enkelsohn neue Setzlinge, um die Seele seines Großvaters am Leben zu erhalten.

Ach Ostberlin, wie schön warst du unter der herrlichen weißen Schneedecke an jenem Abend. Die gelben Lichter in den Fenstern der Wohnblöcke ringsherum reflektierten die Seligkeit der Menschen, die in einem sozialistischen Land zukunftssicher lebten. Ich erinnerte mich an die Verse des kommunistischen Dichters Nazim Hikmet, der so kurz und schön so viel erklärt.

„Ein Fenster; das gelbe Wärme ausstrahlt.“ ...

Wir umarmten uns, drückten uns fest aneinander und liefen umklammert bis zum Parkplatz. Der Schnee machte aus uns zwei laufende Schnee­männer. Während wir den Schnee vom Auto ent­fernten, spielten wir wie die Kinder, warfen ein­ander Schneebälle zu. Bevor Angela mir einen größeren Schneeball zuwarf, sagte sie:

„He, Herr Boxer! In kürze wird dir en kleenes Wesen auch Schneebälle zuwerfen. Bereite dich jetzt schon auf seinen Angriff vor.“

„Wer ist denn der kleine Ankömmling?“ sagte ich gespielt naiv.

„Du sollst es einfach verstehen. Mehr sage ick nich.“ sagte Angela.

„Du machst Spaß mein Täubchen, nicht war?“ sagte ich, weil Angela kein Kind von ihrem Exmann hatte kriegen können.

Sie meinte es ernst.

„Im Herbst wirst du es verstehen, wenn es da ist. Ick wollte es dir erst zuhause sagen, aber es ist mir gerade so unerwünscht herausjesprudelt.“

Ich umarmte sie und drückte sie fest an mich. In mir fühlte ich warme Empfindungen, die ich bisher nicht kannte.

Unterwegs und zu Hause war unser Hauptthema das kommende Baby.