Der große Umweltroman aller Zeiten

Die Wildblume von Anatolien

 

 

 

 

 

In seinem Werk findet man

groteske Natur­be­schreibungen,

aber auch Berichte

über natürliche und gemütliche

Lebensformen der alten Türkei

und in der DDR,

die heute nicht mehr existieren.

”Die Wildblume von Anatolien” Die Tränen des blauen Planeten 2’. In diesem Buch wird der Romanheld Rebell Erol sich in ein Mädchen von Anatolien verknallen und die Menschen, die Blutegel, von ihren Opfern abtrennen. Das Schicksal wird ihm einen Schlag nach dem anderen versetzen. Aber er wird weiter in den Boxring steigen und für viel Aufregung sorgen.


  Abschnitt Seite 136-139


Einmal, es war Mitte der Woche, als mein Vater mit seinen Schülern einen Ausflug zum Paschagarten unternahm. Nach der Schule goss ich den kleinen Garten meines Vaters. Er hatte aus Istanbul Sternenblumen-zwiebeln (Dahlien) mitgebracht, die den Gingseng-wurzeln sehr ähnlich sahen, und sie mit viel Liebe eingepflanzt. Die Sternenblumen begannen an diesem Tage zwischen prachtvollen Blättern ihre Knospen zu öffnen, die von einem Grün in ein kräftiges Violett übergingen. Aber er konnte den schönen Anblick dieser Blumen nicht mehr genießen. Mein Vater verschwand aus dieser Welt wie eine verglühende Sternschnuppe.

Wegen der hohen Mauer, die unseren Garten umgab, konnte ich den Typ des Wagens, der vor unserem Tor hielt, nicht erkennen. Als der eiserne Klopfer am Tor schlug heftig an. Ich ließ den Schlauch am Blumenbeet fallen, und lief zum Tor. Das Wasser floss an der Stelle, wo ich den Schlauch hingeworfen habe, inzwischen stundenlang unberührt weiter.

Vor mir stand der Ambulanzwagen des Krankenhauses. Der Sanitäter überbrachte mir die furchtbare Nachricht, dass mein Vater getötet worden war, und dass wir uns um seine Leiche kümmern sollten. Als er die Tür des Wagens öffnete und das Tuch von der Leiche hob, lag mein Vater vor mir. Er sagt mir nicht einmal “Hallo”, als ob er mit mir böse wäre.

“Oh, mein Herz, wie brennt mein Herz! Das ist ja mein Vater!

Meine schrecklichen Schreie hallten von den Wänden der Häuser als Echo zurück. Alle Hunde unseres Stadtviertels fingen laut zu bellen an. In kürzester Zeit war unser Hof von allen Nachbarn mit deren Kindern angefüllt. Unser Paradiesgarten hatte sich in eine Hölle verwandelt.

Vor den Augen seiner Schüler und unter seinem geliebten Baum, den er immer schützen wollte, soll mein Vater ermordet worden sein. Durch sein Bemühen, diese Bäume zu schützen, geriet er in einen Kampf und kam dabei ums Leben. Die große Kiefer lebte, aber mein Vater war tot. Das war sicherlich ein Albtraum. Die Schüler, die mit der Ambulanz mitgekommen waren und mir all dies schluchzend und stotternd erzählten, waren total erschöpft.

Unser Heim, das immer Fröhlichkeit und Geborgenheit vermittelte, war mit einem Mal kalt und leer. Aber ich will nicht von meinem dunkelsten Tag erzählen, und beim Leser keinen Kummer verur-sachen.

Als ich am nächsten Morgen den rührenden Ruf des Muezzins hörte, der den Tod meines Vaters verkündete, fing ich zu glauben an, dass mein Vater tatsächlich tot war.

Die Nachricht verbreitete sich schnell, und ich hatte mir nie vorstellen können, dass derart viele Menschen zu uns kommen würden, die meinen Vater sehr gern gehabt hatten. Alle Besucher waren schockiert und entsetzt. Nach der Totenzeremonie wollten die Schüler meines Vaters uns Erwachsenen den Sarg ihres geliebten Lehres nicht übergeben. Sie weinten bitterlich. Es war schwer, ihre kleinen Hände, mit denen sie sich am Sarg festklammerten, nur mit sanfter Gewalt zu lösen, denn ihr Lehrer, der ihnen eine liebevolle Welt versprochen hatte, verließ sie nun ganz alleine in eine grausame Welt. Sie heulten wie Steppenwölfe, wenn sie einem das Herz brechen:

“Oh, unser lieber Lehrer! Nimm uns mit, wohin du gehst. Lass' uns nicht hier, in dieser grausamen Welt, alleine.”

Die Felsen, auf denen der Friedhof Abdül Vahab Gazi lag, konnten die unzähligen Trauernden kaum tragen.

Nachdem wir den kalten Sarg in die Erde, die unser Vater so geliebt hatte, versenkt hatten, lief ich von der Menge weg zum Rande der Schlucht, um beim Mausoleum allein sein zu können. Ich lehnte mich auf das Geländer, und der ganze Schmerz, das ganze Leid brach aus mir hervor. Meine Tränen fielen auf die wilden Gebirgsblumen, die weiter unten auf einem Felsvorsprung wuchsen, um bei ihnen um Asyl zu bitten.

Da berührte jemand meine Schultern. Ich wandte mich um, und erblickte vor mir das schmerzverzerrte Gesicht Barut Rifkis. Seine Augen waren tief versunken, seine Brauen stützten sich auf sie. Und dann seine Stimme! Seine Stimme klang wie im Todeskampf.

„Erol, alle sind weg. Unser Bus wartet auf dich. Komm, lass' uns gehen.“

„Geht. Ich werde laufen.“

„Nein Erol, in dieser Stimmung kann ich dich nicht alleine lassen. Vor lauter Kummer stürzt du dich noch die Felsen hinunter, nicht wahr? Nein, du kommst mit.“

„Rifki, was du gerade dachtest, würde ich nie tun. Ich würde mich nie umbringen. Denn das würde bedeuten, dass die Mörder meines Vaters, diese gemeinen Feinde der Natur, noch einen Sieg errungen hätten. Ich gebe nicht auf, ich möchte jetzt nur alleine sein. Ich habe ein paar Worte an Gott zu richten.“